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StartseiteInfothekUrteileVerzögerung kein Ablehnungsgrund

Eine beträchtliche Verzögerung bei der Erstellung eines Gutachtens rechtfertigt für sich keine Besorgnis der Befangenheit


Im selbstständigen Beweisverfahren aus dem November 2014, in dem es um die Feststellung von Mängeln bei der Errichtung eines Einfamilienhauses geht, wurde zunächst ein Sachverständiger bestellt, welcher kundtat, dass er die Erstellung des Gutachtens nicht zeitnah schaffen werde. Daraufhin wurde mit Beschluss vom 30.07.2015 der Sachverständige bestellte, gegen den im Laufe des Verfahrens zwei Befangenheitsanträge eingingen.


Die Erstellung des Gutachtens verzögerte sich, so dass es zu zwei Ordnungsgeldern gegen den Sachverständigen kam, mit Beschlüssen vom 09.08.2017 bzw. 15.03.2017.


Das Gutachten wurde schließlich am 21.03.2018 vorgelegt. Da beide Parteien zahlreiche Ergänzungsfragen stellten, erging am 13.12.2018 der Beschluss, dass der Sachverständige noch ein Ergänzungsgutachten zu schreiben habe. Auch hier verzögerte sich die Erstellung, so dass erneut am 04.02.2020 ein Ordnungsgeldbeschluss von der Richterin erlassen wurde. Vorgelegt wurde das Ergänzungsgutachten am 08.06.2020.


Der erste Befangenheitsantrag enthielt die Begründung, dass der Sachverständige anhaltend unzuverlässig sei und mehrere ihm gesetzte Fristen verstreichen hat lassen. Außerdem sei das Gutachten in mehreren Punkten mangelhaft. Es läge ebenfalls eine Leistungsverweigerung vor, da er die Öffnung der Decke verweigere.


Im zweiten Befangenheitsantrag wurde unter anderem bemängelt, dass der Sachverständige keine dienstliche Stellungnahme abgegeben habe und dass er ein weiteres Gutachten angefertigt hat, ohne eine Wartezeit abzuwarten, welche wegen dem ersten Befangenheitsantrag bestünde.


Das Oberlandesgericht München urteilte, dass die beiden Befangenheitsgesuche in Bezug auf den Sachverständigen vom Landgericht zu Recht zurückgewiesen wurden mit folgender Begründung:

  • Ein Mangel an Sachkunde kann das Gutachten entwerten, rechtfertigt jedoch für sich alleine keine Ablehnung des Sachverständigen wegen Befangenheit, weil sie nicht seine Unabhängigkeit betreffen
  • Eine stark verzögerte Erstellung eines Gutachtens stellt ebenfalls im Allgemeinen keinen Ablehnungsgrund dar. Zudem hatte der Sachverständige nachvollziehbare Gründe angegeben (u.a. Umstellung auf Homeoffice während der Corona-Pandemie)
  • Für Sachverständige gilt keine „Wartezeit“ nach Stellung eines Befangenheitsantrages, wie dies nach § 47 Abs. 1 ZPO für abgelehnte Richter gilt, welchen nur solche Handlungen gewährt werden, die keinen Aufschub gestatten.
  • Ebenso gäbe es für Sachverständige keine Pflicht, nach einem Befangenheitsantrag eine dienstliche Stellungnahme abzugeben, wie dies für Richter erforderlich ist.


Quelle: https://openjur.de/u/2316465.html