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StartseiteInfothekUrteilePrivate Krankenversicherung: Beitragserhöhungen auf dem Prüfstand!

Beitragserhöhungen in privaten Krankenversicherungsverträgen sind auch nach dem BGH-Urteil vom 19.12.2018 weiterhin rechtlich überprüfbar. Zu Unrecht erfolgte Erhöhungen können vom Versicherungsnehmer rückwirkend zurückgefordert werden. Dies bestätigen weitere Urteile des BGH.


Der BGH hatte am 19.12.2018 (Az: IV ZR 255/17) erstmals zur Frage entschieden, in welchem Umfang Prämienerhöhungen von privaten Krankenversicherungen gerichtlich überprüfbar sind. Rechtlich bedeutsam waren zwei Gesichtspunkte, unter denen eine Prämienerhöhung bereits aus formellen Gründen unwirksam sein kann:

  1. Die Frage nach der Unabhängigkeit des Treuhänders, der jede Prämienerhöhung prüfen und zustimmen muss, bevor diese wirksam wird.
  2. Die Frage der Mitteilung der maßgeblichen Gründe im Beitragserhöhungsschreiben des Versicherers.

Zu Punkt 1 hatte der BGH entschieden, dass die Frage der Unabhängigkeit des Treuhänders nicht von den Zivilgerichten überprüfbar ist.

Zu Punkt 2 hatte der BGH aber festgehalten, dass die Frage einer ordnungsgemäßen Begründung im Erhöhungsschreiben gerichtlich überprüfbar ist und bei nicht ausreichender Begründung der Privatversicherte seine zuviel gezahlte Prämien zurückverlangen kann.


Der BGH hat nun weitere Urteile zu den inhaltlichen Anforderungen an die Mitteilung der maßgeblichen Gründe der Beitragserhöhungen gefällt, (Urteil vom 16.12.2020, Az: IV ZR 314/19, Urteil vom 10.03.2021, Az: IV ZR 353/19, Urteil vom 14.04.2021, Az: IV ZR 36/20. Als wesentliches Merkmal einer einwandfreien Erhöhung erfordert es die Mitteilung der maßgeblichen Gründe für die Neufestsetzung des Beitrages. Explizit hier die Angabe der Rechnungsgrundlage, die zu der Neufestsetzung geführt hat. Zu allgemein gehaltene Informationen zur Beitragsanpassung genügen den Mitteilungserfordernissen des § 203 Abs. 5 VVG nicht.


Ende 2021 hat der BGH auch zur Frage der Verjährung von Rückforderungsansprüchen zu Prämienanpassungen entschieden (Urteil 17.11.2021, AZ.: IV ZR 113/20). Der BGH nimmt eine Verjährung von 3 Jahren ab Zugang des jeweiligen Erhöhungsschreibens des Versicherers an. Rückzahlungsansprüche können danach also rückwirkend für drei Jahre geltend gemacht werden.


Sollte jedoch eine unsichere und zweifelhafte Rechtslage vorliegen, kann im Einzelfall die Rechtsunkenntnis des Gläubigers den Verjährungsbeginn hinausschieben. In diesem Falle ist die fristgemäße Erhebung einer Klage unzumutbar. Nicht unzumutbar ist aber dann die Erhebung einer Klage des Gläubigers, wenn er bereits vor einer höchstrichterlichen Entscheidung seinen Anspruch gegenüber dem Schuldner geltend macht und dadurch zu erkennen ist, dass er Kenntnis vom Bestehen des Anspruchs hat.


Welche Krankenversicherungsverträge und welche Ansprüche entstehen bei zu Unrecht erfolgten Beitragserhöhungen?

  • Alle private Krankenvollversicherungsverträge samt Beihilfetarife sowie Verträge zur Krankentagegeldversicherung.
  • Standardtarife.

Möglicher Prüfungszeitraum sind mindestens 3 Jahre rückwirkend -  höchstens 10 Jahre rückwirkend (Zur Klärung bleiben weitere BGH-Entscheidungen abzuwarten).
Welche Ansprüche entstehen bei zu Unrecht erfolgten Beitragserhöhungen?

  • Erstattung der gezahlten Beitragsdifferenzen einschließlich Zinsen.
  • Vertragsfortsetzung mit der alten Prämie, die vor der unrechtmäßiger Erhöhung vereinbart war.

Es empfiehlt sich, für weiterführende Informationen Kontakt zu Verbraucherzentralen aufzunehmen.