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StartseiteInfothekUrteileEntbindung eines gerichtlichen Sachverständigen wegen Arbeitsüberlastung

Das Landgericht Dresden hatte mit Beschluss vom 15.04.2021 einen medizinischen Sachverständigen mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Dieser schrieb am 03.05.2021, dass es ihm wegen „zeitlichen Verpflichtungen“ nicht möglich sei, das Gutachten zu erstatten.


Daraufhin ging ihm am 06.05.2021 ein weiteres Schreiben des Landgerichts zu mit dem Inhalt, dass an seiner Beauftragung festgehalten werde. Der Sachverständige teilte daraufhin keine weiteren Gründe mehr mit, sondern schickte die Akten, welche ihm erneut übersandt wurden, zurück.


Das Landgericht ordnete nun ein Ordnungsgeld in Höhe von 250,- Euro an sowie die Übernahme der Kosten für die Aktenübersendung. Der Gutachter legte dagegen am 14.05.2021 Beschwerde ein, welcher das Landgericht nicht abhalf. Es erklärte, dass sich aus den Mitteilungen des Sachverständigen nicht entnehmen ließ, warum ihm die Erstellung des Gutachtens bis zum 31.08.2021 nicht möglich sei.


Das OLG Dresden entschied, dass die Beschwerde des medizinischen Sachverständigen Erfolg hat.


Nach § 407 ZPO zählt der Sachverständige zwar zu dem Personenkreis, welcher die Erstattung eines Gutachtens nur aus denselben Gründen verweigern darf, die auch einen Zeugen dazu berechtigen, das Zeugnis zu verweigern.


Doch nach § 408 Abs. 1 S. 2 ZPO kann das Gericht den Sachverständigen auch aus sonstigen Gründen von der Verpflichtung der Gutachtenerstellung entbinden, z.B. aus Zweckmäßigkeitsgründen.
Dies käme insbesondere bei einer Arbeitsüberlastung des Gutachters in Betracht, da ein Sachverständiger – anders als ein Zeuge – grundsätzlich als ersetzbar anzusehen ist und der Einsatz eines überlasteten Sachverständigen zu einer Verfahrensverzögerung führen kann. Dies gilt nicht, wenn der betreffende Sachverständige wegen der überragenden Sachkompetenz oder dem Fehlen anderer geeigneter Sachverständiger nicht adäquat ersetzbar ist.


Zudem hielt das OLG Dresden fest, dass an die Darlegung der Arbeitsbelastung keine überzogenen Anforderungen gestellt werden dürfen. Dem Sachverständigen müsse eine Gelegenheit gegeben werden, die Gründe für die Arbeitsbelastung zu konkretisieren, wenn dem Gericht die bisherigen Auskünfte nicht ausreichend erscheinen. Dies sei erforderlich, bevor es die Entpflichtung ablehnt.


Die Verhängung eines Ordnungsgeldes bzw. Auferlegung von Kosten sei nur dann zulässig, wenn die Verweigerung ohne Gründe bzw. ohne angeforderte weitere Konkretisierung der Gründe erfolgt oder wenn die vorgetragenen Verweigerungsgründe zuvor rechtskräftig für unbegründet erklärt worden sind.


OLG Dresden, 4. Zivilsenat, Beschluss vom 28. Juni 2021, Az.: 4 W 411/21