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StartseiteInfothekUrteileCoronabedingte Zuschläge JVEG

Ein gerichtlicher Sachverständige kann coronabedingt eine höhere Vergütung aufgrund Kosten für den Hygieneaufwand verlangen
Im Streitfall (Urteil des LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 18.11.2020 - L 4 SB 122/19) geht es um den Betrag über 7,63 Euro brutto, welcher von einem Sachverständigen während einer ambulanten Untersuchung für den erhöhten Hygieneaufwand aufgrund der Coronavirus-Hygienevorschriften in seiner Kostenrechnung geltend gemacht wurde.


Die Kostenbeamtin des LSG zahlte zunächst den strittigen Betrag nicht aus, da das JVEG keine Erstattung für einen Hygienezuschlag vorsieht.


Der Antragsteller beantragte daraufhin die richterliche Festsetzung mit der Begründung, dass das JVEG Ersatz für Aufwendungen berücksichtigt, sofern sie notwendig seien und die üblichen Gemeinkosten überschritten.


Das LSG Rheinland-Pfalz setzte sich nun mit der Abrechenbarkeit nach JVEG auseinander:

Der Begriff „Gemeinkosten“ wird nicht im Gesetz definiert. Nach der amtlichen Begründung gehören die Ausgaben des Sachverständigen für die Alterssicherung und Krankheitsvorsorge dazu sowie die Kosten für den laufenden Bürobetrieb (Miete, Heizung- / Strom und Wasserkosten) und die Aufwendungen, die für eine angemessene Ausstattung mit notwendiger Technik und Literatur entstehen.


Hygieneverbrauchsmittel gehören laut Gericht zwar üblicherweise zu den Gemeinkosten; seit Beginn der Covid-19 Pandemie sind die Hygienemaßnahmen jedoch wesentlich umfangreicher und speziell an diese vorübergehende Situation angepasst. Nach Ende der Pandemie werden diese zusätzlichen Maßnahmen vermutlich wieder entfallen. Das Gericht schätzt den Mehrverbrauch an Hygieneartikel also nicht als neuen „üblichen Gemeinbedarf“ ein.


Das Hygieneverbrauchsmaterial soll demnach abrechnungsfähig sein, wenn es pandemiebedingt ist und deshalb bisher nicht in den Praxen üblicherweise bevorratet wurde oder die Verbrauchskosten die bisher üblichen Ausgaben überstiegen. Abrechenbar sind jedoch keine Werkzeuge wie Luftreinigungsgeräte oder Fieberthermometer, da das Gesetz einen „Verbrauch“ verlangt, welcher einen „erheblichen Substanzverlust, eine erhebliche Wertminderung oder eine Beeinträchtigung der Brauchbarkeit voraussetzt (vgl. Schneider, a.a.O. Rn. 33).“


Zur Höhe der Erstattungsfähigkeit soll im Sinne des § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 JVEG die Nr. 245 GOÄ als pauschalierte Schätzung in Höhe von 6,41 € (1-facher Satz) netto herangezogen werden.

 
 
Nachtrag:

Das LG Saarbrücken (Urt. v. 08.04.2022 - 13 S 103/21) kam hingegen zu einer anderen Einschätzung des Sachverhaltes. Hier hatte ein KFZ-Sachverständiger ein Gutachten erstellt für den Kläger, welcher den Abrechnungsbetrag des Sachverständigen von der Versicherung nicht vollständig erstattet bekam. Der Sachverständige hatte unter anderem eine Desinfektionspauschale von 5,00 Euro (netto) abgerechnet. Da keine plausible Honorarvereinbarung vorlag, stand dem Sachverständigen die übliche Vergütung zu. Das Gericht kam zu folgendem Entschluss:


„Zu den Gemeinkosten zählen dabei diejenigen Kosten, die nicht nur anlässlich des zu vergütenden Gutachtenauftrages entstanden sind, insbesondere die mit dem Bürobetrieb verbundenen Kosten (vgl. die Nachweise im Urteil der Kammer vom 02. Juli 2021 - 13 S 141/20, NJW-RR 2021, 1150).“


Der Betrag der Desinfektionspauschale wurde deswegen den Gemeinkosten zugeordnet und ist damit mit dem Grundhonorar des Sachverständigen bereits abgegolten.


Quelle: https://openjur.de/u/2309001.html