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StartseiteInfothekUrteileBGH-Urteil: Schadensersatzhaftung eines gerichtlichen Sachverständigen

Im Sommer 2020 hat sich der BGH mit einer möglichen Schadensersatzhaftung eines Sachverständigen beschäftigt. Behandelt wurde dabei die Entscheidung, ob der vom Gericht beauftragte Sachverständige auf Schadensersatz haftet, wenn er fahrlässig ein falsches Gutachten erstellt und von den Parteien daraufhin ein Vergleich geschlossen wird.



Der BGH schließt eine Haftungslücke
Zum Fall: Eine Druckerei, hier die Klägerin, hatte eine Druckmaschine gekauft, bei der nach Inbetriebnahme festgestellt wurde, dass die Druckgeschwindigkeit zu langsam war. Aufgrund dessen hat die Klägerin gegen die Verkäuferin Schadensersatz gefordert. Laut einem vom Landgericht beauftragtem Sachverständigen wurde von diesem festgestellt, dass eine verminderte Druckgeschwindigkeit nicht vorliegt.


Daraufhin wurde die Klage vom Landgericht abgewiesen. Im darauffolgenden Berufungsverfahren stützte sich  das Oberlandesgericht ebenfalls auf das Gutachten und bot mittels einem Beschlussverfahren einen Vergleich an, welcher die Klägerin zu deren Ungunsten benachteiligte, von dieser jedoch geschlossen wurde und somit einem Gerichtsurteil entging.


Die Klägerin erhob sodann Schadenersatz gegen den vom Landgericht beauftragten Sachverständigen. Laut Klägerin habe das Oberlandesgericht seinen Vergleichsvorschlag auf ein Gutachten gestützt, welches vom Sachverständigen falsch und gewissenlos erstellt wurde. Für den entstandenen Schaden forderte die Klägerin Ersatz und beruft sich auf das BGB wie folgt:


§ 839a Haftung des gerichtlichen Sachverständigen

(1) Erstattet ein vom Gericht ernannter Sachverständiger vorsätzlich oder grob fahrlässig ein unrichtiges Gutachten, so ist er zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der einem Verfahrensbeteiligten durch eine gerichtliche Entscheidung entsteht, die auf diesem Gutachten beruht.

(2) § 839 Abs. 3 ist entsprechend anzuwenden.
Der Begriff „gerichtliche Entscheidung“ ist hier der entscheidende Punkt. Im besagten Fall wurde im Vorprozess durch das Oberlandesgericht lediglich ein Hinweisbeschluss erlassen und ein Vergleichsvorschlag unterbreitet. Ein Gerichtsentscheid erging nicht mehr, da die Parteien infolgedessen einen Vergleich geschlossen hatten.


Die Klage gegen den Sachverständigen wurde folglich durch das Landgericht sowie das Oberlandesgericht abgewiesen.


Der BGH traf jedoch eine gegenteilige Entscheidung:

Auch wenn die Parteien einen Vergleich im Vorprozess schließen, kommt eine Haftung des Sachverständigen durchaus in Betracht, sie entsteht gem. einer analogen Anwendung des § 839a BGB.
Entsprechend der Begründung des BGH macht es nämlich keinen Unterschied, ob ein Rechtsstreit durch ein falsches Gutachten oder ein Gerichtsurteil beendet wird. In beiden Fällen wird auf die Richtigkeit des Gutachtens vertraut. Demzufolge ist es sachgerecht den Sachverständigen, wenn sich sein Gutachten im Nachhinein als unrichtig erweist, entsprechend haften zu lassen.


Fazit

Durch das BGH-Urteil wird eine langjährige Haftungslücke geschlossen, die sich ergibt, wenn eine Partei einen nachteiligen Vergleich auf Grundlage eines ungünstigen Gerichtsgutachtens schließt.
Die benachteiligte Partei kann nun den vom Gericht beauftragten Sachverständigen auf Schadensersatz in Anspruch nehmen, wenn sich herausstellt, dass das Gerichtsgutachten grobe Fehler aufweist.
Der Sachverständige kann sich nicht auf § 839a stützen und damit verteidigen, dass der Vorprozess nicht durch Urteil entschieden wurde.

Er kann zur Haftung gezogen werden, wenn aufgrund seines mangelhaften Gutachtens ein Vergleich geschlossen wurde, der für eine Partei nachteilig ausfällt.